Interview: Herausforderungen und Trends

Biomasse, also sogenannter Feedstock für die Pflanzenkohle-Produktionsanlagen, ist nicht immer 100% verfügbar. Die Biomasse-Experten Torben Halfer und Hendrik Bauer von Brüning Group gehen in diesem Interview auf aktuelle Herausforderungen und Trends der Pflanzenkohleindustrie im Bezug auf Biomasse-Verfügbarkeit ein. 

Die Brüning Group bietet einen vollumfänglichen Service für die Ver- & Entsorgung mit energieliefernden Schüttgütern. Sie handeln mit Rundholz und energiehaltigen Reststoffen der Biomasse-verarbeitenden Industrie. Torben Halfer und Hendrik sind im Support für das operative Geschäft tätig. 

Dies ist die Fortsetzung des Interviews mit Brüning, Teil 2 von 3. 

Anne: Welche Herausforderungen hat die Biochar-Branche zurzeit? 

Torben: Ein Problem ist die Versorgungssicherheit mit Biomasse. Denn die meiste Biomasse wird schon genutzt oder kann nicht wirtschaftlich bereitgestellt werden. Gleichzeitig wird mit der Biocarbon-Herstellung ein zusätzlicher Biomasse-Bedarf erzeugt, ohne dass in Europa mehr Biomasse verfügbar gemacht wird. Ist nicht genug vorhanden, steigen die Preise und die Wirtschaftlichkeit von Anlagen kommt an ihre Grenze.

Hendrik: In alle Richtungen ist der Wettbewerb um Biomasse da – egal, ob stofflich oder thermisch. Die Biomasse wird nicht exponentiell mehr werden. Sie wird phasenweise sehr wenig verfügbar sein – das haben wir in den letzten Jahren erlebt. Aus diesen Erfahrungswerten können wir auch berichten, dass es immer wieder Engpässe und Löcher gibt, die wir nicht kommen sehen. 

Wie kann eigentlich ein nachhaltiger Waldumbau stattfinden, wenn ein Waldbesitzer in Dekaden denkt und eine EU-Kommission alle drei vier Jahre neu definieren möchte oder ergänzt, was nachhaltig an einer Biomasseerzeugung bzw. einer Waldbewirtschaftung ist?

Anne: Welche Veränderungen bei der Biomasse seht ihr in Deutschland und weltweit?

Torben: Bleiben wir in Deutschland. Die Standardholzart Fichte wird es in diesem Umfang in den nächsten Jahren nicht mehr geben. Große Fichtenwälder werden durch Sturm und Käferbefall weniger. Andere Arten müssen diese Lücke schließen. Es wird anderes Holz geben, welches zum Standard für die Sägeindustrie wird.

Man sieht es in den Diskussionen zur Neupflanzung der Wälder der Zukunft: 

Es wird nicht mehr so viele forstliche Monokulturen geben. Gleichzeitig wird der Bedarf an Biomasse größer und das Interesse an Kurzumtriebsplantagen wird vermutlich ebenfalls größer werden. Durch dieses schnell wachsende Holz kann auch ein Klimaholz entstehen, welches gezielt für die CO2-Bindung genutzt werden kann.

Hendrik: Es gibt viele Versuche mit schnellwachsenden Arten. Man fragt sich, ob die Sägeindustrie mit diesen etwas anfangen kann. Definitiv ist das der Kern: Wie kann eigentlich ein nachhaltiger Waldumbau stattfinden, wenn ein Waldbesitzer in Dekaden denkt und eine EU-Kommission alle drei vier Jahre neu definieren möchte oder ergänzt, was nachhaltig an einer Biomasseerzeugung bzw. einer Waldbewirtschaftung ist? Die größte Herausforderung für die regenerative Biomasse-Energie-Branche ist: Alles beginnt stets im Wald und im Wald herrschen viele Fragezeichen.

Anne: Was beschäftigt Euch noch, bezogen auf Biochar?

Torben: Es ist die Wortwahl : Wann benutzen wir welche Formulierung? 

Ich glaube, da sind sich die meisten nicht einig, weil es stark an die Anwendung geknüpft ist. Pflanzenkohle würde ich am ehesten mit Biochar gleichsetzen, allerdings schränkt dieser Name gefühlt die Anwendungen ein. Und ist am Ende Pflanzenkohle, wenn sie aus Holz Hackschnitzel (HS) produziert wird, nicht auch Holzkohle? Da haben wir doppelte Bedeutungen.

In der Industrie wird der Begriff „Pflanzenkohle“ eher nicht verwendet, sondern “Biocarbon”.  Einer der entscheidenden Faktoren ist der Kohlenstoffgehalt im Material. Der Vorteil der Bezeichnung Biocarbon ist, dass sie unabhängig vom Feedstock ist. Hinter diesem Begriff steckt ausschließlich die Aussage, dass der Kohlenstoff nicht fossil ist. Eventuell sprechen wir ja in Zukunft von 

  • Fossilcarbon (0 % biogener Anteil)
  • Biocarbon (x % biogener Anteil) Feedstock: Biomasse
  • Recycled Carbon      (x % biogener Anteil) Feedstock: z. B. Kunststoffe/Biokunststoffe

Hendrik: Politisch gesehen, ist es ebenfalls keine gute Idee, zu viele Begriffe zu verwenden. Auch im Gesetz RED II & RED III ist gelernt worden, dass es vorteilhaft ist, einen standardisierten Namen oder eine Begrifflichkeit zu finden. Wenn es das nicht gibt, wird es Verwirrung um Begriffsdefinitionen geben. 

Zum aktuellen Stand ist Pflanzenkohle nur im freiwilligen Markt für Kohlenstoffgutschriften verankert. In einem Pflichtsystem wie dem ETS wird es von Bedeutung sein, einen biogenen Anteil zu definieren bzw den späteren Anwendungsbereich zu kennen. Ansonsten wird es immer wieder Schwierigkeiten geben, sich dort auf Standardwerte und auf irgendwelche vereinheitlichten Ansätze zu einigen. 

Anne: Wissenschaftler*innen wie Kathrin Weber und Oisik Das ordnen die Begriffe ja so ein: Biocarbon ist Kohlenstoff, der durch thermo-chemische Umwandlung von Biomasse aus der heutigen Flora, vorzugsweise aus organischen Abfällen, hergestellt wird; alle Pflanzenkohlen und Holzkohlen sind Biokohlen.

Pflanzenkohle oder englisch Biochar ist Biocarbon, der oberhalb eines Temperaturbereichs von 450-500°C für die Verwendung in Materialien, Energie und Umwelt hergestellt wird. Bei niedrigen Temperaturen hergestellte Pflanzenkohle (ca. 350°C) ist in ihren Eigenschaften mit Holzkohle vergleichbar. Über 900°C behandelte Pflanzenkohle ist technische Pflanzenkohle oder E-Biokohle (von Oisik Das eingeführer Begriff).

Holzkohle = ist ein Biokohlenstoff, der unterhalb einer Temperaturspanne von 450-500°C für die Verwendung als Brennstoff hergestellt wird

Was wäre denn Euer Begriffs-Favorit?

In einem Pflichtsystem wie dem ETS wird es von Bedeutung sein, einen biogenen Anteil zu definieren bzw den späteren Anwendungsbereich zu kennen. Ansonsten wird es immer wieder Schwierigkeiten geben, sich dort auf Standardwerte und auf irgendwelche vereinheitlichten Ansätze zu einigen.

Hendrik: Mein Eindruck ist, der Begriff „Pflanzenkohle“ wird immer in Bezug zur Pflanze abgeleitet, weil das eben ein vorgeprägtes Bild generiert bei Leuten, die sich nur laienhaft mit dem Thema auseinandersetzen. Deswegen würde ich Biokohle auf jeden Fall immer vorziehen. Pflanzenkohle ist zu irreführend. 

Im verpflichteten Emissionshandel ist es genau so geregelt, dass klar von biogenen und fossilen Anteilen in Brennstoffen gesprochen wird. Wenn sich die Pflanzenkohle in diese Richtung bewegen möchte und in einem verpflichtenden Senken-System einen Platz finden soll, muss man ganz klar herausstellen, dass man hier von biogenen und fossilen Anteilen im Feedstock und somit auch im Produkt Biokohle spricht  

Torben: An der Stelle muss man verstehen, dass es Unterschiede in den Pflanzenkohlen gibt. Das heißt wenn ich jetzt zu 100 % Hackschnitzel einsetze, besteht ein höherer Anteil biogener Inputstoffe, als würde man z.B. Altholz A3 einsetzen. Die Stoffkette muss nachvollziehbar abgebildet sein und diese Aufteilung sehe ich in der Pflanzenkohle aktuell nicht. Es muss klar ersichtlich sein, aus welchem Feedstock – Altholz oder Frischholz – und mit welchem biogenen Anteil die Pflanzenkohle bewertet werden kann. Diese Begriffsverwendungen müssen von allen Marktteilnehmern und auch politisch geklärt werden. 

Das heißt, Biocarbon wird anteilig angegeben. Es wird angegeben: Biocarbon 100 % oder Biocarbon mit Anteil 80 %… 90 %. Weil nur dann kann ich auf den biogenen Anteil nachher die CO2-Zertifikate generieren. 

Anne: Das ist also ein Weg, die Qualität zu definieren?

Torben: Ja. Qualität muss man zweiteilen:

  1. Einerseits ist eine klare Aussage über den Kohlenstoffgehalt mit verbindlicher Qualität nötig, damit wir die Qualität der CO2-Zertifikate gewährleisten können.
  2. Andererseits wird die Qualität anhand bestimmter Parameter durch Eigenschaftsanalysen beurteilt. Welche Eigenschaften hat meine Pflanzenkohle/Biocarbon? Und die kann natürlich in Abhängigkeit der Anwendung immer komplett unterschiedlich sein. Das heißt, hier entscheiden die Datenblätter der Produkte.

Oftmals werden für die Projekte die geplanten Preise nicht erzielt. Unser Wunsch wäre, dass möglichst viele von ihnen diese Durststrecke der nächsten zwei, drei Jahre überleben und durchhalten.

Anne: Was wäre denn Euer Wunsch für die Pflanzenkohlebranche?

Torben: Aktuell haben es gerade kleine Pflanzenkohle-Hersteller schwer. Zum einen ist die Biomasse relativ teuer, aber der Pflanzenkohle-Markt selbst noch nicht so etabliert, sodass dort die oftmals für die Projekte geplanten Preise nicht erzielt werden. Unser Wunsch wäre, dass möglichst viele von ihnen diese Durststrecke der nächsten zwei, drei Jahre überleben und durchhalten. Denn Pflanzenkohle/Biocarbon wird nur dann erfolgreich, wenn das Rohmaterial in einer industriellen Dimension ankommt. 

Anne: Vielen Dank euch beiden für das Interview!

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