Asphalt kann mit einiger Ambition CO2-Neutralität erreichen. Wie das? Durch die Integration regenerativ bezogener Zuschlagstoffe, zum Beispiel Pflanzenkohle, und der Integration von regenerativer Energie in den Produktionsschritten sowie Erzeugung und Aufbringung bei Umgebungstemperatur.
Dieser Artikel geht vor allem darauf ein, unter welchen Umständen Pflanzenkohle ein geeignetes kohlenstoffhaltiges Füllmaterial für Asphalt ist.
Vorteile von Pflanzenkohle in Asphalt
- Verbesserte Temperaturresistenz in subtropischen und tropischen Klimazonen
- Erhöhte Steifigkeit und Viskosität von Asphaltbindemitteln und somit erhöhte Resistenz gegen Verformungen1Sheng Zhao et al., Laboratory Investigation of Biochar-Modified Asphalt Mixture, Transportation Research Record: Journal of the Transportation Research Board 2445: S.56-63, 2014
- Verbesserte ökologische Eigenschaften durch Kohlenstoffspeicherung2European Biochar Industry Consortium, First Green Asphalt implemented in Europe, Oktober 2020, https://www.biochar-industry.com/2020/first-green-asphalt-implemented-in-europe/
Mehrere Studien belegen, dass Pflanzenkohle die Leistungsfähigkeit von Asphaltbindemitteln bei hohen Temperaturen tendenziell verbessert und umgekehrt bei niedrigen Temperaturen verschlechtert. Dadurch empfiehlt es sich, Pflanzenkohle in durch Druck wenig belastetem Asphalt bzw. vorwiegend in Asphalt unter subtropischen und tropischen Klimaten anzuwenden.
Grad der Entwicklung
Die Forschung zu Pflanzenkohle in Asphalt ist sehr jung – jedoch ist das Interesse innerhalb der letzten Dekade deutlich gestiegen.3Rondón-Quintana, Hugo & Fredy, Reyes & Chaves Pabon, Saieth & Bastidas-Martínez, Juan & Zafra-Mejía, Carlos. (2022). Use of Biochar in Asphalts: Review. Sustainability. 14. 4745. 10.3390/su14084745.
Pflanzenkohle wird mittlerweile als Asphaltbindemittel-Modifizierer und als Ersatz für mineralische Füllmaterialien in Asphaltmischungen getestet. Zur Herstellung von Pflanzenkohle speziell für die Anwendung in Asphalt sind häufig Veredelungsbehandlungen, wie das Vermahlen der Pflanzenkohle, nötig.
Steiferer Asphalt wird beispielsweise erzeugt mit einer Beimischung von 6 Prozent Pflanzenkohle aus Kokosnussschalen in Bitumen (Asphalt-Bindemittel). Temperaturresistenter Asphalt kann hingegen mit 6 Prozent sehr fein gemahlener Pflanzenkohle zum Beispiel aus organischen Abfällen erzeugt werden4Siti Nur Amiera Jeffry et al., Effects of nanocharcoal Coconut-Shell Ash on the Physical and Rheological Properties of Bitumen, Construction and Building Materials 158, S.1-10, 2018. Asphalt mit einem 10 prozentigen Anteil Pflanzenkohle aus Rutenhirse zeigte eine verbessere Resistenz gegenüber Spurrillenbildung5Sheng Zhao et al., Laboratory Investigation of Biochar-Modified Asphalt Mixture, Transportation Research Record: Journal of the Transportation Research Board 2445: S.56-63, 2014.
In mehreren Fahrradwege-Pilotprojekten in den Niederlanden wird pflanzenkohlehaltiger Asphalt ohne zusätzliche Erhitzung produziert und unter Normaltemperaturen ausgebracht (Temperaturabgesenkter Asphalt). In der Produktion und Ausbringung des mit Pflanzenkohle versetzten Asphalts kommt ausschließlich Strom aus Solarenergie zur Anwendung. Die Aushärtung erfolgt innerhalb von drei bis vier Stunden durch Ansaugen eines Bitumen-Ersatzstoffs aus Flachssamen und anderen Pflanzenöl-Reststoffen in die restlichen Bestandteile. Dabei wurden in die Deckschicht 1% Pflanzenkohle eingebracht und in die Binde- und Tragschicht je 5%. Es wird nun beobachtet, wie sich die Asphaltdecken unter Beanspruchung und Witterungsbedingungen langfristig verhält6Anne Wahl (2024) Temperaturabgesenkter Asphalt mit Pflanzenkohle-Additiv, B_I Galabau, https://bi-medien.de/fachzeitschriften/galabau/nachrichten/verkehrswegebau-temperaturabgesenkter-asphalt-mit-pflanzenkohle-additiv-g17600.
Pflanzenkohle scheint die Alterung des Asphaltmaterials zu verlangsamen, jedoch ist die Studienlage hierzu noch recht dürftig. Unzureichend untersucht sind zudem: langfristige Haltbarkeit, Beständigkeit gegen Feuchtigkeitsschäden, UV-Einstrahlung und Ermüdung, ökologische und wirtschaftliche Auswirkungen.7Rondón-Quintana, Hugo & Fredy, Reyes & Chaves Pabon, Saieth & Bastidas-Martínez, Juan & Zafra-Mejía, Carlos. (2022). Use of Biochar in Asphalts: Review. Sustainability. 14. 4745. 10.3390/su14084745.
Ein wichtiger Hinweis: Asphalt ist eine „end of life“ Anwendung, das heißt eine letztmalige Anwendung, weil die Pflanzenkohle irreversibel mit dem Asphalt verbunden ist. Daher sollte Pflanzenkohle Verwendung finden, die für keine andere Anwendung aufgrund ihrer Inhaltsstoffe nutzbar ist. In den meisten Fällen ist der pflanzenkohlehaltige Asphalt komplett recyclingfähig.
Anwendung
Derzeitige Pilot-Projekte arbeiten vorwiegend mit bis zu 3 Massenprozent. Eine Zugabe von ca. 2-10 Prozent Pflanzenkohle wird als technisch machbar betrachtet8Bates Albert, Draper K, Cool down – Mit Pflanzenkohle die Klimakrise lösen?, Oekom Verlag, 2021. Die Dosierungsmenge sollte allerdings weniger als 10 Massenprozent des Asphaltbinders entsprechen.
Für den gezielten Einsatz muss die Pflanzenkohle sorgfältig ausgewählt werden, da jede Pflanzenkohle aufgrund der Ausgangsmaterialien und der Art und Weise der Herstellung unterschiedlich ist.
Zulassung & Zertifizierung
Sollte Pflanzenkohle in Asphalt Verwendung finden, empfiehlt es sich, die regionalen Gesetze für Schadstoffe zu beachten. So existieren beispielsweise in Deutschland unterschiedliche Anforderungen an die Wiederverwendung von Asphalt, je nach Gehalt an Polyaromatischen Kohlenwasserstoffe (PAK), wonach ein Asphalt mit über 10 mg PAK pro kg nur unter bestimmten Voraussetzungen wiederverwendet werden kann.
Pflanzenkohle, die in einem Asphalt-Produkt Verwendung finden soll, kann nach dem European Biochar Certificate (EBC) in der niedrigsten Qualitätsklasse EBC-BasicMaterials zertifiziert werden, wodurch auch die Anforderungen der EU-REACH-Verordnung9REACH COMMISSION REGULATION (EU) No 1272/2013 of 6 December 2013 amending Annex XVII to Regulation (EC) No 1907/2006 of the European Parliament and of the Council on the Registration, Evaluation, Authorisation and Restriction of Chemicals (REACH) as regards pol. EU-Regulation 2013, 1272/2013eingehalten werden.
Bei Asphalt ist die Möglichkeit, dass Schwermetalle ausgewaschen werden, gering. Aus diesem Grund verlangt EBC-BasicMaterials nur die Deklaration von Schwermetallgehalten, legt aber keine Grenzwerte fest. Organische Schadstoffe müssen zum Teil unter Einhaltung spezifischer Grenzwerte analytisch nachgewiesen werden. Der Standard sieht außerdem vor, dass EBC-BasicMaterials “ausschließlich an andere Unternehmen (B2B) gehandelt” werden dürfen, die bestimmten Anforderungen in der Weiterverarbeitung gerecht werden.
Eine weitere Kategorie ist EBC-ConsumerMaterials, die wie EBC-BasicMaterials für Nicht-Bodenanwendungen vorgesehen ist, jedoch einen strengeren PAK10Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe-Grenzwert für die Verwendung in Kontakt mit Lebewesen und Ökosystemen aufweist. Eine dritte Kategorie ist EBC-Urban, die für die Verwendung von Pflanzenkohle bei z.B. städtischem Grün und Regenwasserfilterung eingesetzt wird und verhindern soll, dass Grund- und Oberflächenwasser kontaminiert wird. Bei dieser Klasse gilt im Gegensatz zu EBC-ConsumerMaterials ein strengerer Grenzwert für EFSA11European Food Safety Aithority, EFSA opinion on suitable indicators for both the occurrence and toxicity of polycyclic aromatic hydrocarbons (PAHs) in food, 4 August 2008 https://www.efsa.europa.eu/en/news/efsa-opinion-suitable-indicators-both-occurrence-and-toxicity-polycyclic PAK (1 g/t TS) und die Deklaration von weiteren 16 organischen Schadstoffen nach EPA Vorgaben.
Diese Unterschiede ergeben sich aus der “Zulässigkeit von Pflanzenkohle für einen bestimmten Zweck in Bezug auf geltende Gesetze, Vorschriften und relevante Industrienormen” unabhängig von deren Güte. Weitere Klassen sollen 2022 eingeführt werden, orientiert am Bedarf, z.B. spezifisch für Baumaterialien.12EBC (2012-2022) ‚European Biochar Certificate – Richtlinien für die Zertifizierung von Pflanzenkohle‘, Ithaka Institute, Arbaz, Switzerland. http://www.european-biochar.org Version 10.1G vom 10. Januar 2022