Interview: Biomasse und dessen Verfügbarkeit

Interview: Biomasse und dessen Verfügbarkeit

Der Preis und die Güte von Pflanzenkohle-Produkten ist direkt abhängig von der genutzten Biomasse. Erfahren sie im Interview mit Biomasse-Experte Torben Halfer wertvolle Trends zur Biomasseverfügbarkeit.

Anne: Hallo Torben, magst Du Dich und das Unternehmen, in dem du arbeitest, kurz vorstellen?

Torben: Ich arbeite bei der Brüning Group in einer Support-Abteilung, die das operative Geschäft unterstützt. Die Brüning Group versteht sich als Problemlöser im Geschäftsfeld der Versorgung & Entsorgung mit energieliefernden Schüttgütern. Wir haben diverse Produkte bei uns im Portfolio.

Wir haben diverse Produkte bei uns im Portfolio. Wir versorgen Sägewerke mit Rundholz und nehmen auf dem Rückweg anfallende Sägewerk-Nebenprodukte wie Hackschnitzel oder Rinde ab. Mit dieser Biomasse handeln wir. Die Brüning Group bietet das Komplettpaket, also auch die Logistik: Wir haben eine eigene LKW-Flotte mit 40 Fahrzeugen. In diesem Geschäft sind Zertifizierungen sehr wichtig und bei jedem Projekt unterstützen wir, auf welche Regelungen und Anforderungen man achten muss, um einen erfolgreichen Stoffstrom aufzubauen. 

Anne: Was fasziniert Dich an Deiner Arbeit?

Torben: Mich faszinieren einerseits die verschiedenen Anforderungen in diesem Tätigkeitsfeld, andererseits finde ich das offene und flexible Arbeiten, z. B. im Homeoffice, sehr angenehm. Das Arbeitsfeld ist vom Handel getriggert und hat daher einen gewissen Drive inne. Es gibt verschiedene Möglichkeiten, direkt selbst mitzuwirken und die Prozesse zu optimieren: Zum Beispiel arbeite ich gerade daran, digitale Lieferscheine in den Ablauf der Auftragsabwicklung zu integrieren.

Biomassehandel ist ein saisonales Geschäft.

Anne: Wie funktioniert die Versorgung mit Biomasse für die Pflanzenkohle-Produzenten in Europa?

Torben: Biomassehandel ist ein saisonales Geschäft. Wir versuchen in Absprache mit den Kunden die bestmöglichen Lieferketten regional abzubilden, wo es durchführbar ist. Hierbei muss man den Biomassebedarf der anderen Markteilnehmer und zukünftiger Projekte berücksichtigen. Wir stellen daher sicher, dass immer genügend Biomasse für unsere Kunden vorhanden ist. Für uns als Brüning Group ist ein LKW die kleinste Mengeneinheit. Der Transport der Biomasse muss mit dem Design des Standorts und der Anlagen in Abhängigkeit des Transportmittels abgestimmt werden, sodass genügend Platz zum Rangieren, Be-& Entladen oder auch Lagern ist. Es sind Fragen zu stellen, wie: Gibt es Fahrverbote für LKWs? Begrenzte Zufahrtswege? Gibt es eine LKW-Waage am Standort oder in der Nähe? 

Pyrolyseanlagen müssen aktuell noch mit sehr homogenem Feedstock betrieben werden, um eine stabile Prozessführung zu ermöglichen.

Anne: Gibt es einen Unterschied zur Versorgung der Pyrolyseanlagen im Vergleich zu anderen Biomasse-nutzenden Kraftwerken? 

Torben: Die Anforderungen der Pyrolyseanlagen an den Feedstock sind höher als bei vergleichbaren Verbrennern. Pyrolyseanlagen müssen aktuell noch mit sehr homogenem Feedstock betrieben werden, um eine stabile Prozessführung zu ermöglichen. Der Trend geht aktuell hin zur Bevorzugung von Premium-Hackschnitzeln. Um dem Bedarf der Anlagen auch in Zukunft gerecht werden zu können, wäre es für die Pyrolyseanlagen sinnvoll, eine Lösung zu finden, um unterschiedliche Größen und Qualitäten an Hackschnitzeln verarbeiten zu können. 

Zu Beobachten ist auch ein hoher Aufwand in der Aufarbeitung der Biomasse, bis diese in die Pyrolyseanlage gelangt. Es wird gesiebt, nachzerkleinert usw. Diese Prozesse verteuern letztendlich den Feedstock und somit auch das finale Produkt. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis man da eine gute Lösung findet.

Das Risiko von Preisschwankungen [kann] nicht einer alleine in der Lieferkette tragen.

Anne: Wie kann für die Etablierung von Biomasse-Sicherheit gesorgt werden? 

Torben: Wir geben unseren Geschäftspartnern zu bedenken, dass in Abhängigkeit der Anlagengröße ein größerer Radius (Einzugsgebiet) der Biomasse erwogen werden muss. Dieser Radius kann von lokalen Mengen bis hin zu internationalen Stoffströmen alles umfassen. Ziel ist es immer, eine Anlage vollständig zu versorgen, allerdings haben gerade die letzten Jahre gezeigt, dass dies nicht leichter wird. 

Klare Ansage von uns ist, dass wir die Biomasse-Verfügbarkeit übernehmen. Allerdings setzt dies voraus, dass das Risiko von Preisschwankungen nicht einer alleine in der Lieferkette tragen kann. Wir versuchen dieses Risiko mit unseren Geschäftspartnern in unseren Projekten gemeinsam mittels verschiedener Vertragsoptionen über die gesamte Lieferkette gerecht abzubilden. 

Wenn wir beispielsweise nicht mehr zu Preis X einkaufen können, müssen wir die Möglichkeit haben, auf der Verkaufsseite den Preis ebenfalls anzupassen. Genauso aber auch andersrum: Wenn auf einmal günstigere Mengen vorhanden sind, gehen wir auf der Verkaufsseite auch mit dem Preis runter. Das nennt sich “Open Book”.  Wir erhalten als Händler dazwischen eine Handling Fee. Um Versorgungssicherheit generieren zu können, müssen wir uns den Freiraum geben, den Preis anpassen zu können. 

Es ist wichtig, dass sich der Pflanzenkohlemarkt damit beschäftigt, wie die Preisvariation der Biomasse gepuffert wird.

Anne: Das bedeutet im Umkehrschluss, dass eure Kundschaft ja auch an deren Kunden wiederum einen wahrscheinlich eher variableren Preis kommunizieren wird. Denn der Biomasse-Preis ist ein einflussreicher Faktor für den Zielpreis.

Torben: Ja, der Biocarbon/PflanzenkohlePreis ist sehr stark mit dem Preis der Biomasse verknüpft. Ich glaube, es ist wichtig, dass sich der Pflanzenkohlemarkt damit beschäftigt, wie die Preisvariation der Biomasse gepuffert wird. Mache ich das nur über den Strom oder mache ich das vielleicht in einigen Bereichen über die Pflanzenkohle? 

Anne: Vielleicht kann man da aus anderen Branchen lernen, die ebenfalls an sehr flexible Börsenpreise oder Marktpreise gebunden sind; beispielsweise von Produkten wie jenen aus der Lebensmittelindustrie, wo der Weizenpreis hoch- und runtergeht und Spekulationen ausgesetzt ist. 

Torben: Spekulation ist das richtige Stichwort. Im Stoffstrom und in der Produktion von Pflanzenkohle ist immer auch das Thema Energie enthalten.  Diese Spekulation ist ein Teil des Biocarbon-Geschäfts und spielt ebenso eine Rolle bei den Carbon Credits. 

In wahrscheinlich zwei bis fünf Jahren wird man vermehrt andere Feedstocks sehen.

Anne: Wir von biochar zero sehen in unserer Pflanzenkohle-Herstellersuche, dass die meisten Produzenten von Pflanzenkohle heute Holzschnitzel aus Restholz aus europäischen Wäldern nutzen.

Torben: Ja, Holz ist momentan noch der Rohstoff Nummer 1 für Pflanzenkohle. Zum einen liegt es daran, dass mit Holz die geforderten Parameter, wie für den C-fix-Gehalt, erreicht werden. Zum anderen ist Holz aktuell noch einfacher verfügbar als andere Reststoffe. 

Es sind bisher nur Einzelfälle, in denen Unternehmen gute Erfahrungen mit bspw. Reststoffen aus der Lebensmittelindustrie gemacht haben. Grund dafür sind die Hürden bei der Einhaltung von Parametern für die Anmeldung als Düngemittel. Ein zweiter Grund ist, dass eine Produktionsanlage anders zu konzipieren ist, wenn ich z. B. Getreide-Hülsen oder Nuss-Schalen nehme. Es kann zu höherer Staubbelastung kommen, man hat nicht den gleichen Energieertrag, Kohlenstoffgehalt etc. Ich glaube, das wird sich in Zukunft ändern. In wahrscheinlich zwei bis fünf Jahren wird man vermehrt andere Feedstocks sehen. Vor allem werden viel mehr unterschiedliche Feedstocks zum Einsatz kommen, da mit dem Feedstock die Parameter der Pflanzenkohle variiert werden können. Als Hersteller hat man damit einen direkten Einfluss auf die Eigenschaften des Biocarbon, wie z. B. der spezifischen Oberfläche und des Kohlenstoffgehalts.

Auch Klärschlamm ist ein Feedstock, der im Kommen ist. Aber auch dieser erfordert wiederum spezielle Pyrolysetechniken.

Meine Vermutung ist: Es wird wahrscheinlich Anlagen einer gewissen Größe geben, die können Reisspelzen verwenden, die anderen spezialisieren sich auf Holz, wieder andere auf Getreide- und Maisreste und bestimmte Anlagen nehmen nur Klärschlamm oder Lebensmittelreste. 

Meine Vermutung ist: Es wird wahrscheinlich Anlagen einer gewissen Größe geben, die können Reisspelzen verwenden, die anderen spezialisieren sich auf Holz, wieder andere auf Getreide- und Maisreste und bestimmte Anlagen nehmen nur Klärschlamm oder Lebensmittelreste. 

Anne: Gibt es dennoch ein zu Holzhackschnitzeln ebenbürtiges Material, das mit den Kriterien von Preis-Leistung, Kohlenstoffgehalt und Lieferfähigkeit mithalten kann?

Torben: Tatsächlich werden die interessanten, homogenen Reststoffströme bereits genutzt. Zum Beispiel Schalen, die in der Lebensmittelindustrie kontinuierlich anfallen, wären optimal. Deren Verwertungsketten sind jedoch bereits etabliert. Sobald der Stoffstrom für Pyrolyseanlagen abgezweigt wird, nehme ich den Feedstock woanders weg.

Gleichzeitig ist der Hebel der verschiedenen Inputmaterialien ein großer, um die Eigenschaften der Pflanzenkohle zu variieren. Optimal wäre es, wenn zwischen Biomassen gewechselt werden könnte. Ich sehe es jedoch als recht schwierig, in einer Anlage kurzfristig zwischen den verschiedenen Feedstocks ohne Probleme hin- und herzuspringen. 

Die vielseitigen industriellen Anwendungen erfordern den Einsatz von verschiedenen Biomassen, damit das Produkt Biocarbon gezielt auf die verschiedenen Anwendungsbereiche abgestimmt werden kann. Beispiele sind Zusatzstoffe für Beton und Asphalt, Farben, Lacke, Additive, Kunststoff oder Füllmaterial für Fußböden. Die Anwendungen sind so vielfältig und so unterschiedlich in ihren Anforderungen an das Material, sodass dies auch den Einsatz unterschiedlicher Biomasse erfordert.

Meine Vermutung ist: Es wird wahrscheinlich Anlagen einer gewissen Größe geben, die können Reisspelzen verwenden, die anderen spezialisieren sich auf Holz, wieder andere auf Getreide- und Maisreste und bestimmte Anlagen nehmen nur Klärschlamm oder Lebensmittelreste. 

Anne: Ich halte fest: Eine Biomasse erzeugt eine spezielle Pflanzenkohle. Und eine Anlage kann meist nicht flexibel zwischen Biomassen wechseln. Die Folge ist, dass die Hersteller sich auf einen Feedstock spezialisieren. Oder der andere Fall ist: Sie stellen mehrere Anlagen auf, um mit mehreren Stoffströmen arbeiten zu können. 

Ich glaube, langfristig wird sich durchsetzen, dass ein Hersteller unterschiedliche Technologien oder Anlagen betreibt.

Torben: Genau. Aktuell müssen die meisten Anlagen mit einem Feedstock zurechtkommen. 

Es gibt natürlich einige flexiblere Technologien. Aber, ich glaube, langfristig wird sich durchsetzen, dass ein Hersteller unterschiedliche Technologien oder Anlagen betreibt. Der Grund ist: man hat im Ergebnis nicht nur ein einziges Produkt. 

Anne: Was weiteren Materialien werden populärer?

Torben: Das ist regional sehr unterschiedlich. Bei uns hier in Europa können es nur Lebensmittel-Reststoffe sein, die bereits in der Industrie anfallen. In den tropischen Regionen fällt andere Biomasse an: Reishülsen, Palmblätter, Palmkernschalen. Es gibt Palmplantagen, wo Reststoffe aktuell gar nicht genutzt werden. Will man diese Biomasse in Europa nutzen, muss man die Logistik klären oder man hat die Anlagen vor Ort. Es wird sich abzeichnen, dass Anlagen eher nahe an der Biomasse gebaut werden müssen. 

Aufgrund der geringen Dichte des Materials oder des höheren Wasseranteils durch die Restfeuchte von unbehandelter Biomasse bekommt man nicht genug Masse/Energie auf den Kahn, damit sich das rentiert.

Anne: Auch Cashew- und Kokosnussschalen sind interessant. In der Nähe des Äquators gibt es durch eine viel längere Vegetationszeit rund ums Jahr Biomasse. Welche Kriterien müssen denn stimmen, sodass ein Import der Biomasse nach Europa von der Ökobilanz her noch vertretbar ist?

Torben: Über diese Strecken sind Nutzen, Preis und Ökobilanz mit dem Transport durch große Schiffe am Besten geeignet. Achten sollte man dabei auf die technische Entwicklung der Akteure der Lieferkette, d.h. wer benutzt alternative Treibstoffe, hat andere Schiffskonzepte. Hier ist noch nicht klar, welche Konzepte sich durchsetzen. Schiffstransportanbieter mit geringerer CO2-Bilanz sind aktuell noch schwer zu finden. 

Stoffströme über solche Distanzen aufzubauen ist eine große Herausforderung. Aufgrund der geringen Dichte des Materials oder des höheren Wasseranteils durch die Restfeuchte von unbehandelter Biomasse bekommt man nicht genug Masse/Energie auf den Kahn, damit sich das rentiert. Damit solche Biomassen sinnvoll transportiert werden können, würde eine  Vorbehandlung der Biomasse, wie Trocknen, Pelletieren oder Verdichten voraussetzen   Aus diesen genannten Gründen glaube ich, dass Pflanzenkohle vor Ort, nahe der Biomassequelle produziert wird und erst anschließend auf die große Reise geht.

Unser Team beobachtet das und wägt ab, ob und wann es sinnvoll ist. Gerade ist es nicht interessant, außer für Einzelfälle, wie z. B. Testläufe von Anlagen.

Anne: Wie verändert sich die Biomassenutzung in den nächsten 5 Jahren für industrielle Großunternehmen? 

Torben: Es wird immer irgendwo Holz verfügbar sein, aus Forstwirtschaft, Landschaftspflege, Abfällen der Sägeindustrie und Altholz. Tendenziell wird die Kaskadenutzung der Produktes bzw. der Biomasse wahrscheinlich länger werden. Aber irgendwann ist der End-of-life – Status eines Materials erreicht. Dort kann das Holz dann immer noch für die Verkohlung genutzt werden. In Zukunft nimmt vermutlich die reine Verbrennung weniger Anteil ein. 

Anne: Vielen Dank für das Interview!

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